Mit Herz und Zirkuszelt an der Seite junger Menschen
Bamberg - Auf dem Schreibtisch von Emil Hartmann steht ein Miniatur-Zirkuszelt. An seine Besucher verschenkt er gerne Clownsnasen aus rotem Schaumstoff. Und wer nachfragt, merkt schnell, woher die Leidenschaft des 66-Jährigen für den Zirkus kommt: „Kaum ein pädagogischer Ansatz kommt dem, was Don Bosco wollte, so nahe wie die Zirkuspädagogik“, ist Emil Hartmann überzeugt. Er hat sein ganzes Berufsleben lang für die Salesianer Don Boscos gearbeitet – erst als Erziehungsleiter im Canisiusheim in Bamberg, dann als Heimleiter dort und als im Jahr 2000 die beiden Bamberger Standorte der Salesianer Don Boscos, Canisiusheim und Josefsheim, zum Don Bosco Jugendwerk fusionierten, übernahm er dessen Gesamtleitung. Jetzt verabschiedet er sich in den Ruhestand.
Seiner Nachfolgerin Anita Skobl hinterlässt er eine Einrichtung, die von seiner Begeisterung für die Zirkuspädagogik geprägt ist: Die Heilpädagogische Tagesstätte Giovanni etwa ist raumpädagogisch wie ein Indoor-Zirkus gestaltet mit einer Manege als Toberaum und einem Zirkuswagen als Speisesaal. Auf dem Außengelände am Jakobsplatz steht sogar ein echtes Zirkuszelt mit vier Masten und gelb-roter Plane. Emil Hartmann führt seine Besucher gerne ins Innere, zeigt die Beleuchtungsanlage und den Artisteneingang mit rotem Vorhang.
„Im Zirkus findet jeder seinen Platz“
„Zirkus eignet sich ideal für unsere Arbeit“, schwärmt er, bleibt in der kreisrunden Manege stehen und erklärt mit leuchtenden Augen: „Die Kinder aus unserer stationären Jugendhilfe haben meist viele schlechte Erfahrungen gemacht – aber nie mit dem Zirkus. Hier findet jeder seinen Platz – egal ob in der Manege oder bei den Arbeiten im Hintergrund: Jedes Kind kann hier seine Stärken zeigen und Erfolg erleben.“ Dieser Ansatz ist für Emil Hartmann genau das, was Don Bosco ausmacht. „Es gibt keine schwierigen Kinder – nur welche in schwierigen Situationen. Und aus denen kann man ihnen heraushelfen“, ist er überzeugt.
Die Begeisterung für die Pädagogik Don Boscos bestimmt das Leben des gebürtigen Allgäuers bereits seit seinem Zivildienst im Marianum Buxheim. „Ich war so fasziniert von der Art, wie die Salesianer Don Boscos dort mit mir umgegangen sind, dass ich so sein wollte wie sie“, sagt er und fügt mit einem Lachen hinzu: „Nur, ohne in den Orden zu gehen, sondern mit Familie.“
Emil Hartmann ist verheiratet und hat drei Kinder, die heute längst erwachsen sind. Aber in seiner beruflichen Laufbahn hat er tatsächlich genau das getan, was die Salesianer Don Boscos tun: sich mit ganzem Herzen und viel Zeit und Energie Kindern und Jugendlichen gewidmet.
Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in schwierigen Situationen
Nach dem Zivildienst hat er in Benediktbeuern Sozialpädagogik, Philosophie und Theologie studiert. 1982 hat er seinen Abschluss in Sozialpädagogik gemacht und angefangen, im Canisiusheim der Salesianer Don Boscos in Bamberg zu arbeiten. Damals war das Heim ein Förderinternat für Spätaussiedler, Lehrlinge und Gymnasiasten. Doch in den 1990er Jahren wurde es immer weniger gebraucht. „Da stand eines Tages ein Junge bei mir im Büro und sagte: Ich will bei dir im Wohnheim bleiben. Er lebte gleich um die Ecke, hatte aber so viel Stress zu Hause, dass er von dort weg wollte. Da wurde mir klar, dass wir uns in Zukunft um Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen kümmern und deren Eltern unterstützen müssen“, erzählt Emil Hartmann.
Heute umfasst das Don Bosco Jugendwerk stationäre und teilstationäre Jugendhilfe, Tagesstätten, Wohngruppen und verschiedene Projekte zur Eingliederungshilfe für entkoppelte junge Menschen: „Zahltag“ mit der Don Bosco Fähre oder „Lifeline“ gehören ebenso dazu wie das Programm „Schüler.Bilden.Zukunft.“ zur schulischen Unterstützung, die FlexFernschule und die Bartolomeo-Garelli-Schule, eine Schule zur emotionalen und sozialen Bildung. Und natürlich die Zirkusarbeit, die in jedem Bereich genutzt wird. Vieles davon hat Emil Hartmann in den vergangenen 33 Jahren mit aufgebaut, in denen er erst das Canisiusheim und dann das gesamte Don Bosco Jugendwerk geleitet hat. Auch in vielen anderen Gremien war er aktiv, um für junge Menschen etwas zu bewegen: 26 Jahre im Jugendhilfeausschuss der Stadt Bamberg, aber auch in seiner Pfarrgemeinde und in mehreren Jugendhilfeverbänden auf Landes- und Bundesebene. Im August 2021 hat er für seine Arbeit mit benachteiligten jungen Menschen vom Bundespräsidenten die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekommen.
Engagiertes Team
Aber er legt sehr großen Wert darauf, dass die erfolgreiche Arbeit im Don Bosco Jugendwerk nicht allein sein Verdienst ist: „Ich bin meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Herzen dankbar, die hier tolle Arbeit leisten.“ Mehr als 200 hauptberufliche und 36 nebenberufliche Mitarbeiter hat das Don Bosco Jugendwerk derzeit. Außerdem engagieren sich rund 100 Personen ehrenamtlich in den Projekten. Emil Hartmann würde sich wünschen, dass Erzieher und Sozialpädagogen besser bezahlt werden und mehr gesellschaftliche Anerkennung erhalten: „Sie sind die Ingenieure des Herzens und sollten wie Ingenieure anerkannt werden.“
Immer genügend hochmotiviertes Personal zu finden, war für den scheidenden Gesamtleiter des Don Bosco Jugendwerks Bamberg oft eine große Herausforderung – und wird es wohl auch für seine Nachfolgerin bleiben. Ebenso wie die Finanzierung aller Projekte und Bereiche zu sichern. Ein Stück weit ist Emil Hartmann deshalb auch froh, die Verantwortung für Jugendliche, Mitarbeiter und Wirtschaftlichkeit jetzt abgeben zu können. „Ich gehe gerne“, sagt er zufrieden. In einem Bereich allerdings wird er sich auf jeden Fall weiter engagieren: Mit seiner „Stiftung Zirkus Giovanni“ will er auch künftig helfen, die Finanzierung der nicht regelgeförderten Projekte und besonders die der Zirkusarbeit sicher zu stellen. Denn für die Zirkuspädagogik im Sinne Don Boscos brennt er noch immer.
Text und Foto: Claudia Klinger