„Die Kinder ins Licht stellen“
Bamberg – Wenn Emil Hartmann in den Ruhestand geht – offiziell am 31. August – dann werden es genau 40 Jahre sein, die er bei Don Bosco in Bamberg gearbeitet hat, davon 33 als Gesamtleiter. Im Interview blickt er zurück auf schöne Begegnungen, Veränderungen und gute Konzepte.
Herr Hartmann, wenn Sie auf die 40 Jahre Don Bosco in Bamberg zurückblicken, wie hat sich Don Bosco in Bamberg verändert?
Emil Hartmann: Angefangen habe ich als Gruppen- und Erziehungsleitung bei den Lehrlingen der Post und den Gymnasiasten im Canisiusheim. Wenn man in der Einrichtung alle zusammenrechnet, Leitung, Pädagogen, Küche, etc, waren wir vielleicht zwölf Leute. Heute sind es 208 Festangestellte. Dazu kommen 40 Honorarkräfte, knapp 100 Ehrenamtliche und immer wieder Praktikanten und FSJler. Es hat sich entwickelt. Unser Credo war immer, das zu tun, was Jugendliche brauchen.
Das ist im Endeffekt ja ganz im Sinne des Begründers Johannes Bosco, der sich auch um die Belange der Jugendlichen kümmerte. Sehen Sie sich so ein bisschen als Don Bosco von Bamberg?
Diese Hausnummer ist zu groß. Aber ich sehe, dass ich die Anliegen sehr intensiv vertreten muss und auch will, was das Kernanliegen von Don Bosco war: Immer dahin zu gucken, wo junge Menschen im Vergleich zu anderen im Nachteil sind. Ich vertrete auch die Meinung, dass es keine schwierigen Jugendlichen gibt. Ein Kind kann krank oder behindert auf die Welt kommen, aber nicht schwierig. Ein junger Mensch wird schwierig, durch die Situation, in der er aufwächst. Und diese muss man ändern, indem man da ansetzte wo der junge Mensch stark ist.
In diese Richtung geht die Zirkuspädagogik, die Sie in Bamberg aus der Taufe gehoben haben.
Das kommt genau aus dieser heilpädagogischen Quelle. Ich habe eine Situation, wo ein junger Mensch Dinge an sich entdeckt, die toll sind. Wo er sich selbst gut findet, wo er Fähigkeiten und Potentiale entdeckt.
Das sind Erziehungsmethoden, die heute wieder als modern gelten.
Die ganze ressourcenorientierte Erziehung, die aus Amerika wieder rübergeschwappt ist, ist nichts Neues. Wenn man die Pädagogik Don Boscos intensiv liest, ist das alles schon dagewesen. Don Bosco konnte seine Methoden alle in erlebte Geschichten verpacken. Dadurch wird es wahnsinnig lebensnah. Und da haben wir als Nachfolger in der Pädagogik, Szenen, mit denen wir heutige Fälle vergleichen können.
Gibt es da ganz konkrete Beispiele aus Ihren 40 Jahren?
Wir hatten eine Schulprojektwoche, danach meinte ein Mädchen zu mir, „Herr Hartmann ich habe hier soviel gelernt und habe es nicht einmal gemerkt“. Das bringt es auf den Punkt. Sie hat etwas gelernt, aber der Weg des Lernens hat ihr so viel Spaß gemacht, dass es keine Last, sondern Lust war.
Ein Konzept, das gut funktioniert?
Die Fakten sprechen für sich. Wir sind mit den Schulprojektwochen auf 2 Jahre ausgebucht. Und alle wollen am Anfang des Schuljahres kommen. Wir legen auch viel Wert darauf, dass der Lehrer sich vorher mit unserem Zirkusteam um Volker Traumann zusammensetzt, um zu erörtern um was es ihm geht. Aus Jux und Tollerei machen wir das ja nicht. Die artistischen Ergebnisse sind das schöne Abfallprodukt, wichtig ist aber der Weg, der dahin führt.
Wie kamen Sie auf die Idee mit dem Zirkuszelt?
1993 war ich im Canisiusheim in der Situation, das Internat umwandeln zu müssen. Sowohl die Post-Lehrlinge, als auch die Gymnasiasten blieben nach und nach weg. Einmal ging dann in meinem Büro die Tür auf, ein junger Kerl stand da und sagte: „Ich will zu Dir ins Heim“. Ich hab ihn erst mal gefragt, wo er wohnt. Er wohnte nur gegenüber, wollte aber zu uns ins Heim, weil er Stress zuhause hatte. Solche Anfragen kamen immer öfter. Und ich wandelte das Heim vom normalen Internat zu einer Einrichtung der Jugendhilfe mit heilpädagogischen Wohngruppen und Tageseinrichtungen. In dieser Zeit kam das Sommerfest unseres Kinderhortes mit dem Thema „Zirkus“. Und da kam mir der Geistesblitz: Warum nicht Zirkus als heilpädagogischen Ansatz nehmen. Ein dankbares Thema. Kinder mögen Zirkus, bekommen Beifall, weil sie Dinge tun, die sie gut können.
Dann folgte ihr Klinkenputzen…
Oh ja, das erste Zelt schenkte uns der Lions Club. Ich vergesse nie den rot-weißen Zweimaster. Als alles aufgebaut war, durften die Kinder rein. Wir machten das Licht das erste Mal an und alle standen mit großen Augen in der Manege. Das war für mich der Impuls im doppelten Sinne des Wortes, die Kinder ins Licht zustellen. Darauf folgte das große Zelt am Josefsheim. Das bekamen wir als Gewinner eines Wettbewerbs von ZDF und KiKa. Damals wurden außergewöhnliche Jugendkonzepte gesucht. Gebaut haben wir es aber – bis auf die Außenhaut – selbst in unserer Zirkuswerkstatt zusammen mit arbeitslosen Jugendlichen.
Zirkuswerkstatt, mehrere Einrichtungen in Bamberg und Forchheim, über 200 Mitarbeiter. Fanden Sie da noch Zeit, im Sinne Don Boscos, den Jugendlichen auf der Straße zu begegnen?
Die Zeit wurde leider im Laufe der Jahre immer weniger. Da habe ich auch darunter gelitten. Mir wurde aber sehr schnell klar, dass es junge Mitarbeiter gibt, die das gut machen. Und da habe ich meine Aufgabe darin gesehen, Strukturen zu schaffen, damit noch mehr im Sinne Don Boscos arbeiten können. Und so verlässt auch kein Jugendlicher unser Haus, ohne dass ich davon weiß, das ist mir sehr wichtig.
Ein bewegtes Arbeitsleben, das im August dann vorbei ist. Wird Ihnen dann nicht langweilig?
Nein. Ich bin weiterhin Vorsitzender der Stiftung Zirkus Giovanni. Hier schütten wir regelmäßig viel Geld aus, das auch Programme bei Don Bosco weiterfinanziert. Dafür bekomme ich im Erdgeschoss am Torschuster auch ein eigenes Büro.
Interview und Foto: Benjamin Kemmer, Heinrichsblatt